Hybrides Arbeiten – Chancen und Herausforderungen für Teams an verschiedenen Standorten

In einer zunehmend vernetzten Welt haben neue Technologien unsere Arbeitsweise revolutioniert. Kaum ein Thema wird dabei aktuell so kontrovers diskutiert wie hybrides Arbeiten. Von gesteigerter Produktivität, vergrößertem Kandidat:innen-Pool für Bewerbungen über den Verlust des Teamgefühls – das Für und Wider wird hart abgewogen. Können moderne Techniken den persönlichen Kontakt wirklich ersetzen?

 

HOME OFFICE - EIN ZWISCHENSTAND

Arbeiten ist nicht mehr strikt an den Platz im Büro gebunden. Ob im Café, auf dem Balkon oder im Zug: Viele Aufgaben können ohne Weiteres von unterwegs erledigt werden. Dennoch sind viele Unternehmen nach dem Auslaufen der pandemiebedingten Home-Office-Pflicht wieder zum Regelbetrieb zurückgekehrt. Im April 2023 arbeiteten 24 Prozent der Beschäftigten vollständig oder teilweise von zuhause aus. Arbeitnehmende wünschen sich mehr Freiheiten. Dem gegenüber hält sich bei vielen Führungskräften noch immer die Mutmaßung, dass Mitarbeitende nur im Büro produktiv arbeiten. Aktuelle Studien beweisen jedoch das Gegenteil. Und: Wer keinen Bock auf seinen Job hat, weiß auch im Büro seine Zeit zu verplempern. Fakt ist außerdem, dass sich Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels auf die Bedürfnisse von aktuellen und potenziellen Talenten einlassen müssen.

Welche Aspekte sprechen also für hybrides Arbeiten, und welche Punkte bergen mögliche Gefahren? Wie können Teams die Herausforderungen angehen und trotz unterschiedlicher Standorte ein Teamgefühl etablieren? Worauf muss beim remote Onboarding geachtet werden, und wie sehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen aus?

FREIHEITEN VS KONTROLLE

Der wohl größte Vorteil von hybridem Arbeiten ist die Flexibilität. Von dieser profitieren letztlich nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch Führungskräfte, denn flexible Arbeitseinteilung führt nachweislich zu effizienterem Arbeiten, weniger Fehlzeiten und gesteigerter Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit. Zudem können auf diese Weise Fachkräfte an Bord geholt werden, die bei einer vollständigen Präsenzpflicht möglicherweise unberücksichtigt bleiben müssten. Wer sich um die Kinder kümmern muss, die Großeltern pflegt oder sonstige private Verpflichtungen hat, tut sich schwer, einen Job anzunehmen, der Minimum 40 Stunden Präsenz in einem Büro voraussetzt. Diese Personen sind jedoch nicht weniger fähig und können Unternehmen ebenso voranbringen.
Darüber hinaus bietet hybrides Arbeiten einen enormen Vorteil für Bewerber:innen, die weiter entfernt wohnen. Täglich zwei Stunden in überfüllten Zügen oder auf zähfließenden Autobahnen zu verbringen, ist für Viele keine Option. Wieso also auf diese Talente verzichten?

DAS HABEN WIR SCHON IMMER SO GEMACHT

Nicht zuletzt hat sich der Arbeitsmarkt in den letzten Jahren stark gewandelt. Lag früher die Auswahl bei den Firmen und Arbeitssuchende mussten sich ins Zeug legen, sind heute auch Unternehmen in der Pflicht. Der altbekannte Obstkorb reicht als Benefit nicht aus, um neue Bewerber:innen zu überzeugen. Insbesondere die jungen Generationen legen Wert auf andere Themen. Das Gehalt spielt oft eine untergeordnete Rolle. Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist für rund 69 Prozent relevant. 83 Prozent geben an, sich ihre Zeit selbst einteilen zu wollen, um nach dem eigenen Rhythmus arbeiten zu können. (Studie: future of work | Zenjob)
Auch die Themen Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Veränderungen und Fairness sind für viele junge Menschen ausschlaggebend bei der Wahl des Arbeitsgebers. Unzählige Studien zeigen: Die Interessen wandeln sich. Und die Struktur des Arbeitsmarktes macht es unverzichtbar, dass Unternehmen sich diesem Wandel annehmen und nicht stehen bleiben. „Das haben wir schon immer so gemacht“ zählt als Argument schlicht nicht.

 

STANDORTUNABHÄNGIGES ARBEITEN BEDARF VORBEITUNG

Spätestens während des Corona-Lockdowns wurden viele Unternehmen auf den harten Boden der Tatsachen geholt: Wer sich vorher kaum mit dem Thema Remote Work befasst hat, musste schnell feststellen, dass es mit dem Ordern von Firmen-Laptops nicht getan ist.
Klar, die technische Ausstattung ist die Grundvoraussetzung. Neben Hardware müssen Zugänge vorhanden sein, Datenaustausch muss über interne Server hinaus möglich gemacht werden. Und die Wenigstens nehmen wohl das schnurgebundene Telefon aus dem Büro mit nach Hause.
Gesetzliche Rahmenbedingungen sollten in Absprache mit fachlich versierten Zuständigen geklärt werden. Diese Punkte sind verhältnismäßig schnell zu erledigen. Komplexer wird es bei Aspekten wie der internen Organisation. Regelmäßige Meetings und Evaluationen sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Calls, in denen auch Freiraum für Nebensächlichkeiten gegeben wird, stärken die Unternehmenskultur und sorgen dafür, dass Mitarbeitende sich trotzdem austauschen und ein Wir-Gefühl behalten. Insbesondere in gemischten Teams - wenn also ein Teil im Büro und ein Teil remote arbeitet - ist die Koordination eine der wichtigsten Aufgaben.
Entscheidungsträger:innen sollten sich dieser Verantwortung bewusst sein. Schnell kann es, insbesondere für Unternehmen, die jahrelang in klassischer Präsenz gearbeitet haben, passieren, dass Mitarbeitende vor Ort über- und jene im Home Office unterfordert werden. Wer sichtbar ansprechbar ist, kriegt möglicherweise häufiger Aufgaben zugeteilt. Auf der anderen Seite ist es wichtig, auch die Leistung jener anzuerkennen, die eben nicht offensichtlich von 9 bis 5 am Büroschreibtisch sitzen. Ziele und Verantwortlichkeiten sollten daher zwingend klar und offen formuliert werden. Zusätzlich ist eine klare Kommunikation unabdingbar: Teammitglieder müssen über die Kommunikationskanäle und -zeiten informiert sein und genau wissen, welche Tools und Programme für den Austausch genutzt werden.

 

ONE SIZE FITS ALL ODER INDIVIDUELLE ENTSCHEIDUNG

Letztlich müssen Unternehmen für sich entscheiden, wie sie die Strukturen gestalten wollen. Bietet sich bei einigen ein regelmäßig rotierendes System von Präsenz und Remote an, genügt es anderen möglicherweise, monatlich, vierteljährlich oder anlässlich der Weihnachtsfeier zusammenzukommen.

Der Großteil der Arbeitnehmenden wünscht sich ein flexibles Modell, das je nach Bedarf 2-3 Tage die Woche arbeiten aus dem Home Office zulässt. Wichtig ist, zu erkennen, dass Menschen verschiedene Lebensentwürfe, unterschiedliche körperliche und mentale Gegebenheiten und auch vielfältige Präferenzen haben. Einige brauchen die klare Trennung von Beruf und Privatleben. Der Firmenlaptop immer in Sichtweite bedeutet für einen Teil der Arbeitnehmenden, dass sie nicht abschalten können und mit den Gedanken ständig beim nächsten Projekt, der offenen To-Do-Liste oder dem anstehenden Meeting sind. Andere wiederrum können sich wenig auf die Arbeit konzentrieren, wenn Fernseher und Couch in Sichtweite des Arbeitsplatzes stehen. Wer viel Austausch und Absprachen mit Kolleg:innen braucht, kommt vermutlich lieber ins Büro und erledigt Meetings Face-to-Face. Ein Programmierer, der teilweise viele Stunden intensiv an einem Code sitzt, kann möglicherweise in der ruhigen Umgebung der eigenen vier Wände konzentrierter arbeiten als im Großraumbüro.
Für Chef:innen bedeutet das, dass strikte Regeln nach dem Motto One-Size-Fits-All nicht nur die Zufriedenheit und Akzeptanz der Mitarbeitenden einschränkt, sondern letztlich auch deren Produktivität und somit die Qualität des Gesamtergebnisses. Wer seinen Mitarbeitenden vertraut, Entscheidungen selbst zu treffen, und die für sich selbst optimale Lösung zu finden, wird auf lange Sicht nicht nur bessere Ergebnisse erzielen, sondern macht sich zusätzlich auf dem Arbeitsmarkt attraktiv für neue Talente.

 

EIN AUSBLICK

Während viele Unternehmen sich noch mit einem Home Office-Tag pro Woche schwer tun, sind andere Firmen schon weiter. Begriffe wie Workation, Sabbatical und Vier-Tage-Woche tauchen immer öfter auf und werden die Art und Weise, wie wir ins Zukunft arbeiten drastisch verändern.
Was spricht dagegen, dass Mitarbeitende statt dem eigenen Schreibtisch daheim für einige Wochen im Jahr jenen im Co-Working-Space in Barcelona nutzen? Insbesondere in schöpferischen Berufsfeldern kann ein Wechsel des Arbeitsplatzes neue Ideen sprießen lassen und die Kreativität auf ein neues Level heben. Weiter zeigen neueste Studien, dass Beschäftigte in einer gut organisierten Vier-Tage-Woche in den meisten Fällen produktiver arbeiten als in den gängigen 40 Stunden. Der Gedanke, dass Anwesenheit = Produktivität bedeutet, ist somit überholt.
Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen umdenken. Das bedeutet nicht, jeden Trend auf Brechen und Biegen mitzugehen. Vielmehr sollte eine generelle Offenheit für neue Konzepte geschaffen werden, die die Individualität der Mitarbeitenden ebenso umfasst, wie die unternehmerischen Vorgaben und Ziele.

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